Meine Learnings aus 2024
Über den Mut, Fragen zu stellen und was passiert, wenn sie fehlen.
Braucht ein ‘Warum’ eigentlich ein ‘Weil’?
Anfang dieses Jahres habe ich einen Menschen kennengelernt, bei dem mir sehr schnell aufgefallen ist, dass er mir keine Fragen stellte. Kein "Wie gehts dir?" kein "Warum machst du das, was du tust?". Einfach nichts. Anfangs habe ich das hingenommen, doch irgendwann sprach ich ihn darauf an. Seine Antwort überraschte mich: "Fragen zu stellen ist mir unangenehm. Ich finde es übergriffig. Die Menschen erzählen schon von sich aus, wenn sie etwas mitteilen möchten." Erst akzeptierte ich diese Erklärung, aber je länger ich darüber nachdachte, desto weniger erschloss sich mir diese Sichtweise.
Natürlich gibt es Menschen, die lieber von sich aus erzählen, wenn sie bereit sind. Doch was passiert, wenn wir uns nur darauf verlassen? Gerade in beruflichen oder politischen Kontexten, in denen Menschen bewusst nicht alles transparent halten, sei es aus strategischen Gründen oder aus Unsicherheit, bleiben die Dinge ohne gezielte Fragen oft nur an der Oberfläche oder es hängen unausgesprochene Annahmen im Raum. Und selbst im persönlichen Kontext habe ich gemerkt: Wenn keine Fragen gestellt werden, fehlt etwas Wesentliches, nämlich das Gefühl, dass jemand wirklich interessiert ist, dass jemand zuhört und vor allem verstehen möchte.
Für mich sind Fragen wie Türen, die wir öffnen. Sie laden ein, Neuland zu betreten, Unsichtbares sichtbar zu machen und vermeintlich Offensichtliches zu hinterfragen. Aber sie fordern auch heraus. Es braucht nämlich Mut, in einem Workshop zu fragen: "Warum fühlen sich manche in unserem Team nicht gehört?" oder "Warum reproduzieren wir immer dieselben Muster, obwohl wir Veränderung wollen?" Solche Fragen sind unbequem, weil sie uns zwingen, hinzusehen, legen gleichzeitig aber auch Unsicherheiten offen, weil wir nicht wissen, wie die Antwort ausfallen könnte, oder ob sie überhaupt kommen wird.
Mein Fazit: Während Antworten oft mit dem Gefühl von Sicherheit um die Ecke kommen, sind´s einerseits die Fragen, die uns voranbringen und andererseits sind die Antworten, die wir auf mutige Fragen finden, selten endgültig. Sie führen oft zu noch mehr Fragen und genau darin liegt die Kraft: Sie bringen uns dazu, die Perspektive des anderen einzunehmen, ermöglichen, Dinge zu entdecken, die wir ohne sie nie erfahren hätten und bringen uns ein Stück näher zu mehr Verständnis, mehr Tiefe und mehr Menschlichkeit.
Für 2025 wünsche ich von mir selbst und von den Menschen, mit denen ich arbeiten und sprechen darf, mehr Mut, die richtigen Fragen zu stellen, die vor allem Antworten zulassen aus denen neue Wege und Möglichkeiten entstehen können und uns am Ende zu einer Welt führen, die wir besser verstehen lernen.
Auf ein fragenreiches 2025.