Mit 43 habe ich eine Sache verstanden

Nichts auf dieser Welt ist wertvoller, als emotionales Gleichgewicht und seelisches Wohlbefinden. Warum? Um die eigenen Potenziale, Ressourcen und die Kreativität in Gänze aktivieren, Mitgefühl stärken und so, für sich selbst und für andere ein guter Mensch sein zu können. Heute bin ich dankbar, dass ich es mir erlaube, alles, was dieses Gleichgewicht und Wohlbefinden gefährdet (hat) - auf gesunde Weise - vor die Tür setzen zu können.

So war es aber nicht immer

Die letzten Jahrzehnte habe ich damit verbracht, gesellschaftlich und religiös definierte Normen und Erwartungen unterschiedlicher Menschengruppen zu erfüllen, die in etwa so klangen:

„Du musst das erreichen, damit Du…“, „Du musst Dich an die Regeln halten, damit Du…“, „Du musst mindestens einen Vollzeitjob haben, und im besten Fall mehr als von dir erwartet arbeiten, damit Du…“, „Du musst denn Mund halten, wenn Du…“, „Du brauchst diesen Abschluss und jenes Zertifikat, damit Du…“, „Du musst eine, unseren Normen (!) entsprechende, Beziehung führen, damit Du…“.

Heute weiß ich: Ich muss tatsächlich nur eins. Nämlich all diese Dinge meinem inneren Rhythmus und Glauben und meinen Werten und Bedürfnissen entsprechend gestalten, priorisieren oder weglassen! Dafür brauchte es aber erst - so gut es ging - den Abstand zu den verankerten Definitionen.

Hier ein kleiner Ausschnitt der Fragen, die ich mir regelmäßig gestellt habe und teilweise immer noch stelle:

„Brauche/möchte ich das wirklich?“, „Entspricht diese Art des Arbeitens wirklich mir?“, „Wer sagt das?“, „Was macht mich wirklich glücklich?“, „Wodurch spüre ich echte Dankbarkeit?“, „Muss das, was ich da mache, so bleiben oder kann’s auch anders aussehen oder sogar komplett weg?“, „Wem ist damit geholfen, wenn ich …?“.

Mein Fazit

Ich habe nach Anerkennung durch die falschen und an den falschen Stellen gesucht, mich durch fremde Regeln selbst ausgebeutet und hatte wegen so einiger gesellschaftlich leerer Versprechen viele Jahre viel Sand im Getriebe meines Motors. Doch statt auf Stopp! zu drücken, hab‘ ich meine Erschöpfung betäubt, meine Potenziale geparkt und meine Emotionen zensiert.

Heute bin ich sehr dankbar, dass ich regelmäßig die Metaperspektive einnehmen und leider zu folgendem Ergebnis gekommen bin: Wir sind eine Beifallgesellschaft, die vor allem für diese Dinge applaudiert —> toxischer Fleiß, rationale Dominanz, dichotomes Denken, Emotionsrepression, Obrigkeitshörigkeit, Selbstkasteiung, Macht, Schischi und einiges mehr. Für Menschlichkeit, Authentizität und Emotionen bleibt der Beifall leider aus.

Wie viel uns dadurch verloren geht, stimmt mich traurig und wütend.

Ist der Mensch nicht erst wirklich frei, wenn er sich ohne Angst eigene Erfahrungen zugesteht, ein eigenes Lebens-, Glaubens-, Arbeits- und Wertekonzept erarbeitet, Zugang zur Bandbreite seiner Emotionen hat, Misserfolge als Lebensstufen feiert und Lebensweise und Glaubensvorstellung anderer ohne Bewertung stehenlassen kann?

Nennt mich Träumerin oder Idealistin. Ich glaube an den Menschen und ich glaube an die Fähigkeit, diese Strukturen durch Mut, gesundem Selbstrespekt und bedingungsloser Lebensfreude zu erkennen und sie zu unterbrechen. Nach dem Motto: Ich "muss" nur verstehen, können und wollen."

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