Vielfalt bedeutet Beziehung

 

Heute wirds (wieder) etwas persönlicher. In meinem letzten Beitrag zum Thema Vielfalt erwähnte ich kurz meine Familie und jetzt möchte ich gerne erzählen, warum sie mein Vorbild in Sachen gelebter Vielfalt ist und warum diese Erfahrungen mein kritisches Denken zu vielen Diversity-Programmen geprägt haben.

Ich hatte großes Glück, in einer Familie groß zu werden, in der Unterschiede nie als Gefahr gesehen wurden. Im Gegenteil. Ich erlebte von klein auf, wie es ist, sich respektieren und lieben zu können, auch wenn man in vielem nicht einer Meinung war. Ich lernte, wie Glaube, Werte, Meinungen und völlig unterschiedliche Lebensentwürfe nebeneinander existieren konnten, ohne dass jemals Versuche unternommen wurden, die anderen von der eigenen Wahrheit überzeugen zu müssen, und wie am Ende immer die Wärme und der gegenseitige Respekt unverändert blieben. Bis heute ist das so und dafür liebe ich meine Familie. 🙏🏼🥰

Wir sind insgesamt sechs Geschwister, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und wir haben Eltern, die sich vor 20 Jahren in Güte und ohne Rosenkrieg getrennt haben.

Jede*r in meiner Familie, Eltern eingeschlossen, hat einen eigenen Weg eingeschlagen, zum Teil leben wir mittlerweile auf verschiedenen Kontinenten und führen wirklich unterschiedliche Leben. Trotzdem sind wir sehr eng miteinander verbunden, auch wenn wirs schon eine ganze Weile nicht mehr geschafft haben, uns alle an einem Ort zu sehen. Was wir aber wissen ist, dass wir jederzeit füreinander da sind. Ein kurzer Anruf oder eine Nachricht in der Familiengruppe, und wir wissen, das wir nicht alleine sind, egal wie verschieden wir leben und denken und egal, wie hitzig es manchmal auch zugehen kann. 🤌🏼🥸😆

Und weil ich das Thema Vielfalt nun mal nicht aus Büchern gelernt habe, sondern quasi damit groß geworden bin, ist es für mich bis heute kein theoretisches Konzept. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ist das auch der Grund, wieso ich mich manchmal so schwer damit tue, wie Vielfalt in vielen Organisationen und Unternehmen umgesetzt wird, und wieso ich mir wünsche, dass sie über Strategien hinaus auch im Alltag spürbar wird.

Für mich bedeutet Vielfalt nicht Einigkeit, sondern Beziehung.

Sie zeigt sich durch respektvolles Zuhören und Aushalten von Widersprüche und Spannungen und ist eine bewusste (!) Entscheidung, Menschen in ihrer Ganzheit sehen zu wollen, auch und gerade dann, wenns unbequem ist.

Mit meiner, wohlgemerkt muslimischen, Familie leben wir das bis heute so, und genau das ist auch der Grund, warum Vielfalt für mich etwas ist, das ich bewusst lebe und anderen Menschen durch meine Arbeit erlebbar mache.

Vielleicht wärs ja gar nicht so verkehrt, sich einmal diese Fragen zu stellen:

- Welche Gewohnheiten, Sichtweisen oder Stärken verdankst du einer komplett anderen Kultur oder Perspektive?
- Welche Beziehungen in deinem Leben halten Widersprüche aus und erlebst sie trotzdem nah, weil dir der Mensch wichtiger ist, als am Ende recht zu behalten?

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